DAS FRÄNKISCHE LANDJUDENTUM

Entwicklung im Mittelalter – Das Ende der jüdischen Gemeinden in den Städten

Aus dem 12. Jahrhundert gibt es erste quellenmäßige Hinweise für jüdische Bevölkerung in Franken. Antijüdische Exzesse während des ersten Kreuzzuges im Jahre 1096 hatten Jüdinnen und Juden zur Flucht aus Städten am Rhein mit traditionsreichen jüdischen Gemeinden (Köln, Mainz, Worms und Speyer) gezwungen. Nach den Städten – die früheste Judengemeinde ist für Würzburg belegt (1147) – bildeten sich auch in kleineren Orten jüdische Niederlassungen mit Synagogen. Von Anfang an wurden sie auch in Franken Opfer von Verfolgungen und Pogromen. Gleichwohl erlebten die jüdischen Gemeinden in dieser Zeit einen Aufschwung und eine kulturelle Blütezeit. Einen großen Einbruch brachten die Pogrome des Jahres 1298. Sie wurden vom falschen Gerücht ausgelöst, Juden hätten die Hostien geschändet (Hostienfrevellegende). Schätzungsweise 5000 Juden wurden hierbei in Franken getötet. Die Gemeinden konnten sich in den folgenden Jahrzehnten, wenngleich auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, wieder stabilisieren. Ein halbes Jahrhundert später folgte eine weitere und noch furchtbarere Katastrophe. Als ab 1347 die Pest in Europa wütete, wurde der Vorwurf laut, Juden hätten die Brunnen vergiftet und so die Epidemie ausgelöst. Diese Wahnvorstellung führte auch in Franken im Jahr 1349 zu schrecklichen Massakern. Das Jahre 1349 brachte das Ende der großen Judengemeinden in Franken. Es waren dafür aber nicht allein religiöse Vorstellungen, sondern ebenso rein materielle Interessen ausschlaggebend.

In den folgenden Jahrzehnten entstanden vornehmlich in den Städten wieder kleinere jüdische Gemeinden. Ab dem späten 15. Jahrhundert begann schließlich eine planmäßige Verdrängung der Juden durch die Obrigkeit. Im Interesse eines religiös einheitlichen Untertanenverbandes kam es zu „Ausschaffungen“ (Ausweisungen) der Juden. So wollten die Würzburger Bischöfe, durchweg auch auf Drängen der Bürgerschaft, keine Juden mehr im Hochstift und vor allem in der Stadt Würzburg zulassen. Besonders die Reichsstädte gingen gezielt und effektiv vor. 1498/99 wurden die Juden aus der Reichsstadt Nürnberg ausgewiesen, 1520 aus Rothenburg ob der Tauber und 1555 aus Schweinfurt. Die Reformation änderte nichts an der Situation der Juden. In der Judenfeindschaft wussten sich die christlichen Konfessionen vereint.

Abwanderung in die Landgemeinden und Entstehung des Landjudentums

Die vertriebenen Juden suchten teilweise im Osten Europas eine neue Heimat. Daneben fanden sich auch in Franken Nischen für die Niederlassung von Juden. Die komplexen Herrschaftsverhältnisse in Franken waren dafür die Voraussetzung. Besonders sind die kleinen ritterschaftlichen Herren zu erwähnen, die Juden vornehmlich aus finanziellen Interessen – sie mussten nämlich hohe Schutzgebühren bezahlen – in ihren Dörfern eine Bleibe boten. Im damals noch bäuerlich geprägten Fürth erleichterte die Situation, dass sich drei Stadtherren die Regierung teilten, den Zuzug von Juden. Im Hochstift Würzburg gab es Orte mit herrschaftlichen Sonderformen, in denen sich Juden niederlassen konnten, so z.B. in Heidingsfeld, wo sich eine der größten Judengemeinden Frankens entwickelte. Auch Mediatherren wie Stifte und Klöster (mittelbare Herrschaften unter der Ägide des Fürstbischofs) ließen es zu, dass sich in ihren Besitzungen Judengemeinden bilden konnten.

Nach den Bevölkerungsverlusten im 30-jährigen Krieg (1618-1648) fanden sich sogar wieder mehr Landes- und Dorfherren, die Juden zuließen – aber nur gemäß genauen Vorschriften und mit vielfältigen Einschränkungen. Besonders aus den größeren Städten sollten sie aber weiterhin ferngehalten werden. Die jüdischen Gemeinden wuchsen wieder und erhielten die notwendige kultische Infrastruktur. Charakteristisch für Franken wurden die relativ kleinen jüdischen Gemeinden in erster Linie in Dörfern. In rund 300 Orten gab es in Franken jüdisches Leben. In diese Entwicklung ist das Werden der Obernbreiter Judengemeinde einzuordnen.

Es entstand so das fränkische Landjudentum. Wenngleich diese Juden auf dem Land lebten, blieb ihnen Landbesitz verwehrt. Ebenso wenig durften sie ein Handwerk ausüben. Sie waren daher vornehmlich im Handel (Viehhandel, Geldleihe, Makler, Hausierer) tätig. Die meisten lebten am Existenzminimum. Zwar wohnten Juden und Christen in Franken oft in unmittelbarer Nachbarschaft, aber sie blieben sich weitgehend fremd und das Misstrauen der Christen war erheblich. Immer wieder kam es zu Übergriffen von Christen auf Juden.

Erst im 19. Jahrhundert veränderte sich die jüdische Siedlungsstruktur in Franken. Zunehmend war es möglich, die ländliche Enge zu verlassen und in die Städte zu gehen. So kam es in Würzburg und Nürnberg zu neuen und relativ großen Judengemeinden. Viele Landjuden verließen ihre fränkische „Heimat“. Auch wenn damit einzelne Judengemeinden so klein wurden, dass sie aufgelöst werden mussten – die Obernbreiter 1911 –, blieb das Landjudentum bis zur nationalsozialistischen Judenvernichtung ein wichtiger Teil Frankens.

Wolfgang Weiß